Die CDU hat die Wahl in Sachsen deutlich gewonnen. Gegen die Union ist keine Regierung zu bilden, Grüne, Linke und SPD haben zusammen nicht einmal annähernd die gleiche Zustimmung bekommen. Das ist gut so, haben die Freunde in Sachsen doch jetzt alle Optionen: Mit der SPD, den Grünen oder sogar mit der AfD, auch wenn das angesichts derer kruden Thesen klugerweise nur eine theoretische ist. Jeder Stratege wünscht sich diese Situation, in der niemand an einem vorbei kommt und man selbst auswählen kann. Ist die CDU also die einzig verbliebene Volkspartei? Alles in Butter quasi?

Was leider bei aller berechtigten Freude vergessen wird, ist die geringe Wahlbeteiligung. Man kann lange streiten, ob der letzte Schultag ein guter Wahltermin war. Und es waren Landtagswahlen, die traditionell auf weniger Interesse stoßen als etwa Bundestagswahlen. Das mag alles stimmen, aber lässt sich damit alleine eine Wahlbeteiligung von beschämenden 48 Prozent erklären?

Das glaube ich nicht. Die absoluten Stimmenzahlen legen den Schluss nahe, dass alle anderen Parteien nahezu ausmobilisiert haben. Von allen Parteien hat die Union – neben der FDP – am meisten Wähler (22.000) an die Nichtwähler abgegeben, wie die Analyse der Wählerwanderungen zeigt. Bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr wählten noch fast 995.000 Menschen in Sachsen mit der Zweitstimme die CDU, bei der Landtagswahl am Sonntag waren es nur 645.000. Die Union hat ihr Potenzial nur zu 65% ausgeschöpft. Nur die SPD war mit 59% noch schlechter, die Linke liegt mit 67% in etwa gleichauf mit der CDU.

Demgegenüber stehen FDP und Grüne, die auf einen Wert von 86 bzw. 82% kommen. Und sowohl NPD als auch AfD konnten im Vergleich zur Bundestagswahl sogar noch an absoluten Stimmen zulegen.

Das ist keine neue Entwicklung, in nahezu allen Wahlen in den vergangenen Jahren hat die Union Stimmen an die Nichtwähler verloren. Die Bundestagswahl 2013 bildet hier eine bemerkenswerte Ausnahme, da haben 1,3 Millionen Nichtwähler der CDU ihre Stimme gegeben.

Nichtwähler sind unser größtes Potenzial 

Die Stimmen der Nichtwähler sind erst mal verloren, nur in Ausnahmefällen wie bei der Bundestagswahl 2013 kommen sie zu uns zurück. Ansonsten schöpfen vor allem extremistische Parteien oder Protestparteien aus diesem riesigen Reservoir. Schon deshalb dürfen wir uns nicht mehr nur auf die Unentschlossenen konzentrieren. Wir müssen uns die Frage stellen, wie wir Nichtwähler wieder für uns gewinnen können und nicht nur ein größeres Stück vom stetig kleiner werdenden Kuchen der Wähler abbekommen.

Nichtwähler haben keineswegs resigniert. Im Gegenteil, 80 Prozent der Nichtwähler vor der Bürgerschaftswahl in Hamburg 2008 stimmten der Aussage zu, dass Demokratie die beste aller Staatsideen sei, fast 50 Prozent gaben an, mit der politischen Praxis in Deutschland ziemlich zufrieden zu sein. Auch das Interesse an Politik ist in der Gruppe der Nichtwähler entgegen anderslautender Eindrücke sehr ausgeprägt: 52 Prozent sagten, ihr Interesse an Politik sei ziemlich groß, über 66 Prozent nahmen in den vergangenen Jahren immer an Bundestagswahlen teil, immerhin 52 Prozent an den Landtagswahlen.

Gründe für das Nichtwählen: Mangelndes Vertrauen in Personen 

Im Bundestagswahlkampf 2009 sagten fast 70 Prozent der Nichtwähler, dass sie wenig oder kein Interesse an der Bundestagswahl haben. Auch kurz vor der Wahl erhöhte sich dieses Interesse nicht, der Wahlkampf zog offensichtlich an ihnen vorbei. Fast jeder Nichtwähler sagte,  dass Parteien und Politiker ihn nicht überzeugten, danach folgten die Gründe „Wahlkampf spricht mich nicht an“ und „habe das Gefühl, dass meine Stimme nicht zählt“. Erst weit dahinter kommen systemische Gründe („Politik interessiert mich nicht“, „Wahlsystem ist zu kompliziert“, „Halte Wahlen für überflüssig“).

Es liegt also zuerst an unserer Art der Stimmenwerbung, warum Bürger sich entschließen, ihre Stimme nicht abzugeben. Das ist eine bewusste Entscheidung von Menschen, die über Politik zumindest nicht uninformiert sind.

Glaubwürdigkeit ist größtes Pfund 

Was könnte Nichtwähler motivieren, wieder an Wahlen teilzunehmen? Fast gleich häufig wird als Grund genannt „wenn Politiker die Wahrheit sagen“ und „wenn überzeugende Lösungen angeboten werden“. Etwas mehr als die Hälfte wünschen sich, den Wahlausgang beeinflussen zu können und gut ein Drittel wünscht sich einen besseren Wahlkampf ihrer Partei.

In den vergangenen Jahren haben wir die Frage, wie Politik und Parteien an Glaubwürdigkeit gewinnen, allzu oft vor dem Hintergrund verlorener Wahlen beantwortet. Im Bundestagswahlkampf 2013 hat offensichtlich Angela Merkel als Person und gleichzeitig die Union als Partei ein glaub- und vertrauenswürdiges Angebot gemacht. In Sachsen stand zwar ein beliebter Ministerpräsident an der Spitze der Union (58% hätten ihn direkt gewählt), aber die Partei konnte davon nicht ausreichend profitieren.

Die Union ist die einzige Partei, die den Wunsch von vielen Nichtwählern nach mehr Glaubwürdigkeit, überzeugenden Lösungen und einem besseren Wahlkampf erfüllen kann. Eben weil wir keine klassische Programmpartei sind, sondern unideologisch pragmatische Lösungen suchen und den Menschen zugewandt handeln können. Nur: Die Menschen müssen das auch mitbekommen. Drei Ansätze, wie wir das in Zukunft noch besser machen können:

1. Konkrete Verbesserungen vor Ort 

Der Blick in die Anfangszeit der Volkspartei lohnt sich. Die CDU verband von Anfang das Bestreben, alte Gräben zu überwinden und künftig zusammenzuarbeiten. Der heute etwas abgedroschen wirkende Satz „Politik für die Menschen“ war damals Programm: Ziel waren konkrete Verbesserungen vor Ort, auch in der alltäglichen Lebenshilfe engagierten sich Christdemokraten, etwa beim Ausfüllen von Rentenanträgen. Politiker wurden nicht in erster Linie als weit weg wahrgenommen, sondern als Partner in der schwierigen Nachkriegs- und Aufbauzeit nach der Gründung der Bundesrepublik. Dass dieses Konzept auch in den Neunziger Jahren erfolgreich sein konnte, bewies die damalige PDS in den neuen Bundesländern. Wir müssen wieder raus, in die Gemeinden, in den Lebensalltag. Politik beschränkt sich nicht nur auf Wahlkampf, sondern bedeutet eine ständige Präsenz vor Ort.

2. Komplexität reduzieren 

Die Umstände, unter denen heute Politik gemacht wird, sind andere. Die Komplexität der Themen ist größer, der Druck zu schnellen Entscheidungen wächst permanent. Diese Belastung wirkt sich auch auf die Mandatsträger der Partei aus, die weniger Zeit und Energie für das direkte Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern haben. Stattdessen werden Entscheidungen oder Entwicklungen über die Medien kommuniziert, die ihrerseits unter einem enormen Druck stehen, Neuigkeiten zu produzieren, um attraktiv zu bleiben. Das führt dazu, dass Diskussionen im Vorfeld von Entscheidungen öffentlich in aller Breite diskutiert werden. Im Mittelpunkt steht nicht die Sache, sondern der Streit an sich. Aus gutem Grund gibt es eine Aufgabenteilung in den Fraktionen, nicht jeder kann sich en Detail mit allen Fragen auseinandersetzen. Über die gnadenlose Transparenz aller Diskussionen wird aber genau das der Bevölkerung zugemutet. Es ist nachvollziehbar, dass einige sich neben dem beruflichen und familiären Alltag angesichts des Überflusses der zu verarbeitenden Informationen zurückziehen. Die höhere Geschwindigkeit ist ein Phänomen, das alle Lebensbereiche erfasst. Damit müssen wir umgehen – im persönlichen, aber auch im politischen. Unsere Lösungen und auch unsere Kommunikation müssen Komplexität reduzieren, nicht noch mehr Entscheidungen an den Einzelnen delegieren.

3. Neugierig sein. 

Wir müssen diejenigen kennen, die uns nahe stehen. Wir müssen neugierig sein auf deren individuellen Lebensweg und -alltag. Das ist heute für eine Partei schwieriger als früher, als man auf gewachsene Strukturen wie Kirchen, Vereine oder Gewerkschaften zurückgreifen konnte. Heute wird erwartet, dass sich die Politiker mit jedem Einzelnen beschäftigen. Das ist leistbar, wenn wir den konsequenten Einstieg wagen in eine Datenbank unserer Anhänger und Wissen darüber innerhalb der Parteiorganisation teilen. Geben wir unseren Anhängern ein Gesicht, indem wir wissen, was sie interessiert und wie sie leben! Nur wen wir kennen, können wir direkt ansprechen. Und genau das wird von uns erwartet. Die CDU Thüringen macht es uns mit ihrem Häuserwahlkampf-Tool vor, wie es gehen kann. Und zwar unter Einhaltung der strengen deutschen Datenschutzrichtlinien.Lasst uns Wahlkämpfe führen, die Einzelne persönlich erreichen und begeistern!

 

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